Еврейские судьбы: Двенадцать портретов на фоне еврейской иммиграции во Фрайбург — страница 10 из 33

А однажды они были с Марком в Большом театре, где давали «Князя Игоря». И вдруг директор театра объявил, что объявляется перерыв на 45 минут, поскольку снаружи будет салют в честь Победы! Кончилась война!..

Когда отец сделал маме предложение, она согласилась. Переехала в Бахрушинский дом на Фалеевском, где ей, да и всем нам, предстояла еще дюжина лет в классической, по Ильфу и Петрову, густонаселенной коммуналке прежде чем мы переехали в полученную отцом квартиру на Ленинском проспекте (точнее, в две комнаты в трехкомнатной квартире).

Между тем и мамина трудовая жизнь распалась на несколько отрезков. Из МВТУ она перевелась в Московский автодорожный институт, по окончании которого работала экономистом на автобазе Министерства военно-морского флота, затем ревизором в Контрольно-ревизионном отделе Главмосавтотранса. В 1969–1978 гг. она старший инженер в Главном управлении международных автомобильных сообщений «Совтрансавто». И, уже будучи на пенсии, долго работала оператором Мострансагенства.

В Германии

Выйдя в середине 1990-х гг. на пенсию, Марк и Белла Полян решили присоединиться к фрайбургским Полянам, и 2 ноября 1998 года они пересекли границу Германии. Фрайбург и Фрайбургская община уже ждали их. Годы, что они прожили в Германии, они сами находили, быть может, самыми лучшими в своей жизни. Спокойный и размеренный быт без необходимости что бы то ни было организовывать, добывать и набирать себе запасы впрок, королевская медицина, ранее не представимые поездки по Германии и по европейским странам, близость к единственному сыну и его семье – все это создавало уют и ощущение качества жизни, пусть и стариковской. Мама немного говорила по-немецки, отец – старательно учился, но так и не выучился. Совершенно светский в России человек, на старости лет он полюбил походы в синагогу, не пропускал, если не болел, ни одного шаббата – повторял за кантором или за раввином непонятные слова и фразы и выстраивал какие-то свои, только им двоим и ведомые, отношения с еврейским Б-гом.


Почтовая карточка из Полоцка / Postkarte aus Polozk (30.Juni 1941)


2 октября 2011 года Марк Павлович Полян умер, а 30 октября 2012 года – умерла и Белла Марковна. Их могила из светлого розового песчаника на Фрайбургском еврейском кладбище – первая, где имена выбиты и на русском языке.

BEILJA MENDELEEVNA UND MORDEHAI PINCHASOWITSCH POLIAN'S:MARK PALYTSCH UND BELLA MARKOWNA(POLOZK – MOSKAU – KISTENDEJ – DURASOWKA – ISCHEWSK – MOSKAU – FREIBURG)

Ich möchte ein wenig von jenen berichten, die ich näher als alle anderen kannte – von meinen Eltern. Jeder von ihnen hatte ein langes Leben, je fast 90 Jahre, von denen sie 60 Jahre oder zwei Drittel zusammen lebten. Ich möchte mich hier in ihr inneres Leben oder in ihre seelischen Aufwallungen nicht vertiefen. Allein äußerer Leitfaden wird für diese Studie mehr als genügen.

Doch möchte ich mit den Namen beginnen. Die beiden wurden wie üblich auf europäische Art und Weise genannt – Bella Markowna, Mark Pawlowitsch (Mark Palytsch). Doch Ihre ursprünglichen bei der Geburt gebenen Namen waren die anderen – die jüdischen: Bejlia Mendeleewna und Mordehai Pinchasowitsch. Der sowjetische staatliche Antisemitismus übte auf sie Druck aus, entriss sie ihrer Wurzeln und zwang sie ihr Judentum zu verbergen, ließ sie Korrekturen nicht nur in die Namensfindung einbringen, sondern auch wie im Fall des Vaters im Pass vermerken. Viele anderen gingen noch weiter und änderten im Pass nicht nur ihren Familiennahmen, von der Nationalität ganz zu schweigen.

Der Vater

Der Vater wurde von beiden als erster geboren, am 6. Februar 1922 in Moskau, wohin sein Vater, mein Großvater, noch 1915 zog und damit die damals faktische Demontage des Ansiedlungsrayons sich zu Nutze machte. Er arbeitete als Angestellter in einer Bank, zeichnete sich durch eine ausgezeichnete Handschrift aus, von der man sicher nur mit angehaltenem Atem sagen würde: Kalligraphie! (Die Handschrift wird leider nicht vererbt). Der Großvater stammte aus Panevežys in Littaen und seine Frau, meine Großmutter Emma Edelman, aus dem Shtetl Dolginowo in Weißrussland, wo ihr Großvater ein bekannter Rabbiner war.

Sie wohnten in einer Kommunalka auf der letzten Etage des riesigen Bachruschin-Hauses am Bolotnaja Platz. Die Fenster gingen direkt auf den Stadtpark hinaus, hinter dem in den dreißiger Jahren die finstere Silhouette des s.g. «Hauses an der Uferstraße» erschien, wo die sowjetische Parteielite wohnte. Mark ging in die Schule Nr. 19 am Ufer deß Moskwa-Flußes, während sein jüngerer Bruder Efim, der vier Jahre später auf die Welt kam, die Schule Nr. 12 hinter dem Kanal, in der Nähe des Anfangs der Straße Große Poljanka besuchte.

Im August 1939 immatrikulierte sich Mark an der Moskauer Staatlichen Technischen Universität Bauman, die er im März 1945 absolvierte. Während der Evakuierung der Universität – vom 2. April 1942 bis zum 17. Juni 1943 – befand er sich in Ischewsk, wo ihn das Schicksal zum ersten Mal mit meiner Mutter zusammenführte.

Auf der ersten Seite seines Arbeitsbuchs befindet sich eine ungewöhnliche Berufskombination: «Fräser, Pädagoge». Doch die Evakuierung verlief für die Studentenschaft seiner Universität hauptsächlich so: Die Hälfte der Zeit verbrachte man in den Hörsälen, die andere Hälfte musste man an der Werkbank eines Rüstungsbetriebes arbeiten.

Zu Beginn seines beruflichen Laufbandes gab es das tatarische Prothesen-Instandsetzungswerk in Kasan, wohin er als Produktionsleiter versetzt wurde. Nach einer etwa halbjährigen Tätigkeit in Kasan wurde er nach Moskau verlegt, in die Zentrale der Prothesen-Industrie des Ministeriums für Sozialfürsorge der UDSSR (s.g. «Glawprothes», oder «Glawk»). Dort arbeitete er etwa 8 Jahre von 1947–1955 zuerst als führender Technologe einer Technikabteilung, danach als erster Mechaniker einer technischen Produktionsabteilung. Es waren vor allem die Jahre, die durch uneingeschränkten Obskurantismus und den sogennanten Kampf gegen Kosmopoliten gekennzeichnet waren.

Danach spielte sich seine Karriere zeitlich noch in drei verschiedenen Abschnitten von je 10–20 Jahren ab. 1955–1966 war er Direktor eines Experimentalbetriebs, eines wissenschaftlichen Forschungsinstituts für Prothesentechnik und Prothesenherstellung in der Stadt Reutowo bei Moskau. Dann arbeitete er zwischen 1966 und 1977 in dem selben Institut in Moskau, zuerst als Leiter eines Laboratoriums für experimentelle Prothesentechnik, danach als Leiter einer Abteilung für wissenschaftliche Information und Patentrechte. In dieser Etappe im Jahre 1971 promovierte er über das Thema: «Untersuchung der Bewegungselemente auf frontaler Ebene beim Gehen der gesunden und der prothesierten Menschen».

Der letzte Zeitabschnitt sollte der längste sein. 1977–1996 war er Dozent des Moskauer Staatlichen Instituts für Kultur, wo er Informatik und Kommunikationstheorie unterrichtete.

Die Mutter

Bella Markowna (Bejlia Mendeleewna) London wurde am 18. März 1923 in Polozk, früher einer stolzen slawischen Feststadt, aber damals eher ein bescheidenes weißrussisches Städtchen, das sich von einem großen Dorf nur schwer unterschied. Häuser, Gärten, Zäune, Hunde, alles wie auf dem Land.

Zuhause nannte man sie Beba und die ältere Schwester Rimma, die 1919 – in einem viel unruhigeren Jahr auf die Welt kam, wurde Riwa genannt. Ungeachtet davon war die Kindheit der Schwestern friedfertig und glücklich.

Ihr Vater, ein sehr erfahrener Setzer, arbeitete in einer staatlichen Druckerei. Obwohl sein Gehalt gar nicht üppig war, insgesamt 35 Rubel, so reichte es doch aus, um in einem Haus (Kommunistitscheckaja Straße, 74) zu Leben. Man lebte bescheiden, aber gut. Die Mutter Lija (Lisa, Elisaweta) Morduchowna, war eine Hausfrau, die sehr schmackhafte Gerichte kochte und durch Kochen ein wenig hinzuverdiente. Eine Musikschullehrerin wr bei ihr zu Kost.

Als Beba zur Schule kam (Mittelschule Nr. 12 der Stadt Polozk), erhielt sie jedes Jahr Auszeichnungen und Anerkennungsurkunden mit den Profilen der Anführer des Marxismus-Leninismus oben. Im Juni 1941 absolvierte sie die städtische Schule in Polozk. Am 20. Juni klingelte zum letzten Mal die Schulglocke, den Schulabsolventen wurden Zeugnisse ausgehändigt, abends fand ein Abschlussball statt. Wie alle jüdischen Jungen und Mädchen ihrer Klasse träumte auch sie von einem Studium und wollte dafür nach Moskau gehen. Am nächsten Tag, dem 21. Juni, schickte sie ihr Zeugnis und andere Unterlagen für die Aufnahme an der Universität nach Moskau zu ihrer älteren Schwester Rimma, die damals schon Fremdsprachen studierte und und im Wohnheim ihrer Universität auf Marosseika Straße wohnte. Sie schickte die Papiere mit dem Deutschlehrer, der nach Moskau fuhr, worüber sie ein sehr leichtsinniges folgendes Telegramm an ihre Schwester gab: «Triff den Deutschen mit dem Schnellzug». Es ging aber glatt, nur an dem nächsten Tag traf das ganze Land den «Deutschen» mit Blut und Fleisch.

Am 26. Juni ging aus Polozk der letzte Transportzug mit Armeeangehörigen ab, an ihn wurden noch einige Güterwagen für die Einwohner angehängt, in einem von ihnen wurden Beba und die Mutter nach Moskau evakuiert. In Polozk blieb allein der Vater zurück. Die Evakuierung wurde ihm nicht gestattet, am 26. Juni errichtete er sein Dienst in der Druckerei, die er nur kurz verlassen konnte, um sich von seiner Frau und Beba zu verabschieden. In der Tat hatte er geglaubt, dass man den Deutschen irgendwie anhalten und schnell fortjagen wird.

«Die letzte Nachricht vom ihm – eine Postkarte, die er an die älteste Tochter schickte:

Polozk, Kommunistitscheskaja 74,

Moskau Moroseika, Petrowerigskij per., 6/8 k. 207-

Zu R.M. London. 30.Juni 1941

Polozk. 30.06. Liebes Töchterlein! Habe deine letzte Karte vom 24. Juni erhalten. Mutter und Beba sind am 26. Juni nach Moskau gefahren. Ich bin sehr besorgt, dass sie noch nicht bei dir sind. Ich bin allein zuhause geblieben. Die Stadt ist in Gefahr, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Neben uns ist eine Bombe niedergegangen, die einen Brand mit vielen Opfern gefordert hat. Ich flehe dich an, telegrafiere mir sofort nach Erhalt des Briefes, ob sie in Moskau angekommen sind. Sie sind vermutlich unterwegs steckengeblieben. Onkel Mendel ist plötzlich nach Moskau abgereist. Versuche doch von ihm zu erfahren, ob sie angekommen sind. Von ihm erfährst du, wo Mutter und Beba sind. Papa. Telegrafiere mir sofort, wenn man das Telegramm annimmt».