Исторические происшествия в Москве 1812 года во время присутствия в сем городе неприятеля — страница 35 из 61

geheimen, sehr sichern Aufenthaltsort, unter dem Altare seiner Kirche anzuweisen, wo kein Mensch uns finden, und wir für alle mögliche Gefahr gesichert seyn sollen. – Herr Czermack, foderte mich daher auf sogleich zu ihm zu kommen, wenn ich in meiner Wohnung nicht mehr bleiben könnte, und gab mir die genaueste Beschreibung seines Hauses, um es sogleich finden zu können. Hätte ich an diesen Zufluchtsort früher gedacht, so würde ich ihn dem Schillingschen Hause vorgezogen haben, dann aber wäre meine Tochter mit dieser Familie nicht abgereiset, hätte nachher in größere Gefahren gerathen können, alle Angst und Gräul während dem Brande und nachheriger Plünderung mit ansehen müssen; endlich aber, was die Hauptsache für sie, und mich war, wir beyde keinen so überzeugenden Beweis, von der tröstenden Kraft eines gläubigen Gebets erhalten, wie der Herr uns zwey Stunden vor ihrer Abfahrt gnadenreich gewähret hatte.

Sonntag ganz früh (den 31sten August) fiel mir das Anerbieten des Herrn Czermacks plötzlich ins Gedächtniß, und mit dem Beginn des Tages suchte ich seine Wohnung auf, und ward auf das Herzlichste, von ihm und seiner Frau aufgenommen. Ich fand seinen Hauswirth den Geistlichen, beschäftiget, seine junge, schöne Frau aus der Stadt zu schicken. Auch er hieß mich recht freundlich willkommen, und sagte, daß er es für gut halte, lieber seine Frau, zu ihren in der Nähe Moskaus wohnenden Eltern abzufertigen, als hier zu behalten, und sobald sie abgereiset seyn würde, wolle er desto ruhiger mit Herrn Czermack, und mit mir, dessen Freunde, recht brüderlich leben, alle Gefahr theilen, uns mit seinem Ansehen schützen etc. Kaum war aber die Frau eine viertel Stunde abgefahren, als der Priester sich wie ein Wahnsinniger zu gebärden anfing. Er warf sich auf die Erde, raufte sich Kopf und Barthaare aus, zerschlug sich das Gesicht, schrie und heulete darüber, daß er seine Frau habe allein wegfahren lassen etc. Ich rieth ihm, ihr so schnell als möglich nachzueilen, da sie noch nicht bis zur Sastawa gekommen seyn konnte. Kaum hatte er mich begriffen, so eilte er, ohne Hut, so wie er sich von der Erde aufgerafft hatte, spornstreichs, seiner Frau nach, die er auch noch einholete, – wie ich nach einigen Monaten von ihm erfuhr. Der versprochene geheime Verbergungsort in der Kirche, blieb uns daher unbekannt. Der Sonntag verging uns ohne merkwürdige Ereignisse, da wir im Zimmer blieben, niemand fremdes sahen, und also auch nichts erfahren konnten, was in der Stadt vorging. So viel sahe ich jedoch einige Stunden nach meiner Ankunft bei Hr. Czermack ein, daß diese Straße noch weniger Sicherheit gewähre, wie die Schmiedebrücke; weil, erstens der Hr. Czermack der einzige Deutsche war, der in dieser Quergasse wohnete, und weil seine Wohnung von lauter Hurenhäusern umringt war. Auch Hr. Czerm. sah endlich ein, wie unsicher unsere Wohnung war, und darum foderte er mich auf, mit ihm zu einem in der Nähe wohnenden Lampenfabrikanten, namens Knauf zu gehen, dessen Haus einer kleinen Festung glich, und dessen zahlreiche Fabrikarbeiter, angeblich ihren Herrn sehr ergeben waren. Wir baten Herrn Knauf uns in sein Haus aufzunehmen, weil wir in unserer Wohnung Vogelfrey wären, und er für seine Person, an zwey deutsche gesunde Männer, theils Beystand, theils Aufseher, über seine Arbeiter erhalten würde. Er schlug es hartnäckig ab, und versicherte uns, daß er sich auf seine Leute verlassen könne. Nun so wird uns Gott schützen, sagte Hr. Cz. mir aus der Seele gesprochen. Montag Morgens ward es sehr lebhaft auf der Straße, und wir sahen Männer, Weiber und Kinder, mit Flinten, Säbel, und Pistolen bis zum Erdrücken bepacket, nach ihren Wohnungen eilen, auch zum Theil vor ihren Thüren hinwerfen, und wieder forteilen, welches wir uns nicht erklären konnten, da es den ganzen Vormittag fortdauerte, und wir doch auch wieder nicht auf die Straße gehen, u. fragen wollten. Nachher erfuhren wir, daß noch am Sonntage ein Bülletin erschienen war, welches befahl: Am Montag früh sollten alle männliche Einwohner Moskaus nach dem Arsenale eilen, sich dort zu bewaffnen, und dann auf die Sperlingsberge rücken sollten. Dieser Aufforderung zu folge, fanden sich viele im Kreml ein, und fanden zwar das Arsenal offen, aber niemanden der ihnen sagte, was sie nehmen, und wo sie sich versammeln sollten? Jetzt griff jeder zu, nahm was ihm gefiel, eilte nach Hause, sagte dieses den Seinigen, und allen die ihm auf dem Heimwege begegneten; nahm Alle, selbst Kinder mit, die nur etwas tragen konnten, und so vermehrten sich die Nehmer und Träger mit jeder Stunde, bis zum Augenblick, wo die Franzosen in die Stadt zogen. Der Herr Graf Rostoptschin wußte natürlich vorher, daß das Arsenal dem Feinde in die Hände fallen wird, und rettete auf diese Weise viele Waffen, welche die Einwohner während der Invasion, versteckt, und verborgen hatten, nachher aber wieder abgeben mußten, als die russische Behörden in Moskau eingezogen waren. Zum Glück hatte das Volk kein Pulver, sonst würde viel Blut geflossen seyn, da alle Kabacken ohne Eigenthümer und geöffnet waren, die Polizey bereits dem Grafen aus der Stadt gefolget war, diese große Stadt, ohne Obrigkeit blieb, jeder ungescheuet thun konnte, was er wollte, und ein großer Haufe Volks schon versammelt war, als der junge Weretschagin durch die Straßen geschleifet, und der Volkswuth – als ein Landesverräther übergeben worden war, welchen der Graf, (im Augenblick seiner Abreise) der Polizey nicht mitzunehmen befahl. Es wäre allerdings zu wünschen, daß die Franzosen nie bis Moskau vorgedrungen wären; aber es war auch gewiß eine gnadenreiche Fügung Gottes, daß sie noch an diesem Tage kamen, weil in dem Zustand der Anarchie, und noch durch Brandtwein erhitzten Köpfen bey aller Freyheit zu ungestörter reichlicher Plünderung, und dem allgemeinen Hasse gegen die Ausländer, wäre vielleicht kein einziger Fremder am Leben geblieben; und sie würden sich auch an ihren Landsleuten vergriffen und in ihrer Trunkenheit unter einander viel Blut vergossen haben.

Etwa um halb zwey Uhr Nachmittags, sprengten drey russische Cavalerie-Offiziere, von verschiedener Waffengattung, im gestrecktesten Gallop, von der Twerskoystraße kommend, vor unsern Fenstern vorbey, die aber kaum einige Minuten nacher, eilig zurückflohen; und als Hr. Czermack und ich uns vor die Hausthür wagten, um ihnen nachzusehen, hörten wir sehr deutlich den Schall französischer Trommeln, deren Ton ihm aus Wien, und mir vom Rheine her bekannt war, doch zweifelten wir noch, ob dem so sey? als wir links Grenadiere zu Pferde, von eben daher langsam einziehen sahen, wohin die ersten 3 Offiziere eileten, und bald zurück kehrten; und fast in demselben Augenblicke höreten wir auch von der Seite der Twerskoystraße einen französischen Marsch von Blasinstrumenten gespielt. So voll unsere Gasse bis dahin, von bewaffneten Einwohnern war, so leer ward sie im Nu. Alles warf die Waffen von sich, oder eilte mit denselben ins Haus, so daß in der ganzen Gasse, nur Hr. Czermack und ich allein dastanden.

Bey dem gänzlichen Mangel aller Nachrichten vom Kriegsschauplatze, bey den öftern Siegeskunden über die Feinde, konnte wohl schwerlich jemand nur ahnen, Napoleon in Moskau zu sehen; am allerwenigsten aber, daß dieses so bald geschehen würde, da man ihn und seine Armee sich noch an der russischen Gränze dachte. Wie Hr. Cz. und ich so an unserer Hausthüre standen, und keiner wagte, dem Andern mitzutheilen, daß er den Einzug der Franzosen, für gewiß hielt; mußten wir beyde, auf ein Geräusch in der Luft, aufmerksam werden, welches uns aus unserm Nachdenken aufweckte. Wir blickten in die Höhe, und sahen eine ungewöhnlich fast Baumähnliche Raquette, zu den Wolken dringend. Unwillkürlich entfuhren mir die Worte: „Das ist Groß“! Und erst als ich diese Worte gesprochen hatte, ward es mir in der Seele klar, was ich damit sagen wollte. Herr Czermack deutete meinen Ausruf, auf die Größe der Raquette, und sagte: Ja, eine so große Raquette habe ich selbst in Wien, bei den schönsten Feuerwerken nie gesehen. Ich erwiederte: Nein, das meyne ich nicht, ich finde die Idee groß: daß Moskau verbrannt werden soll. Ich betheure es bey Gott, daß ich diesen Gedanken nie nur entfernt gedacht habe, und wenn ich mir ja die Möglichkeit vorstellte, daß die Franzosen bis nach Moskau kommen könnten – obwohl ich mich auch dessen kaum erinnere, und gewiß meinem vertrautesten Freunde nicht mitgetheilt haben würde; so konnte ich mir im schlimmsten Falle dennoch höchstens eine große Contribution vorstellen, aber weder Brand, noch Plünderung denken, sondern alles so, wie es bei ihrem Einzuge in andre Residenzen geschehen war. Daher ist es mir noch bis zum heutigen Tage unbegreiflich warum der Anblick dieser Raquette – welche allerdings ein Signal seyn mußte, das weithin gesehen werden sollte – in mir den nie gehabten Gedanken hervorbrachte, und mir in diesen Augenblick sogleich alle guten Folgen vorschwebeten, die für Rußland aus dem Brande Moskaus entstehen werden. Nach 23 Jahren, in welcher Zeit ich mich vielfach geprüfet, mehreremal mein Gedächtnis, gleichsam auf die Folter gespannt habe, um irgend etwas aufzufinden, wodurch ich meinen damaligen Ausruf, und alles was sich plötzlich, aber sehr lebhaft, bey diesem Gedanken mir aufdrängete, und meiner Seele vorschwebete, in einem Zusammenhange mit dem Anblick der Raquette zu bringen, aber immer vergeblich, und ich muß die Lösung dieses Räthsels, auf die Zeit meines Eingangs in die Ewigkeit, verschieben. Nun füllte sich unsere kleine Straße mit französischen Infanteristen, welche sehr höflich naheten, und um etwas Brodt baten, welches sie nach ihrer Aussage seit 3 Tagen, nicht gesehen, noch weniger genossen hatten. Madame Czermack, welche gut französisch sprach, und auch in Wien in Häusern wohnte, welche Franzosen in ihrer Wohnung aufnehmen mußten, lud die Soldaten, die uns umgaben, ein, näher ins Haus zu kommen, und es traten acht Personen ein, so wie die übrigen sich in andere Häuser vertheileten. Jetzt zeigten sich die in unserer Gasse wohnenden Huren, und thaten mit diesen fremden Gästen so vertraut, als ob sie mit ihnen von jeher befreundet gewesen wären, obgleich sie mit ihnen nicht sprechen konnten. Die ganze Gasse war plötzlich so belebt, daß es schien, als ob es