meiner Wohnung fände, könnte er leicht denken, oder sagen: Wo dieses eine Stück meines geraubten Eigenthums sich befindet, muß, oder kann auch alles Andre seyn was mir verloren ging. Durch solche Weigerungen verlor ich nicht das Mindeste in den Augen dieser braven Offiziere, stieg vielmehr sichtbar in Achtung bey ihnen. Einst widersetzte ich mich, nicht ohne Gefahr einem verabschiedeten Kapitain – von Geburt ein Pole – mit aller Anstrengung, da er mehrere Dwornicks von Demidow mitnahm und gemeinschaftlich mit ihnen in der Stadt plünderte, und endlich die geraubten Sachen in unser Haus bringen wollte. Ich hatte diesen Mann, und ein Weibsstück das er bey sich hatte, in meine Wohnung aufgenommen, die zur Tischzeit jedem offenstand, der kommen wollte, und in welcher so viele unter Dach kamen, als Platz vorhanden war. Nach einigen Tagen sah ich ihn, und die obengenannten Personen schwere Bündel tragend auf das Haus zukommen. Sogleich eilete ich der hintern kleine Pforte zu, stellte mich im Eingang und fragte die Dwornicks: Was sie trügen? Ich erhielt zur Antwort: Was wir in den Buden holeten. Nun schalt ich sie Diebe, und Räuber, daß sie sich an dem Guthe ihrer russischen Brüder so sündlich vergriffen haben, und erklärte ihnen, daß ich es nie zugeben würde, solche Sachen ins Haus zu bringen, welches ich zwar französischen Soldaten nicht, aber ihnen als Russen, und Demidows Leibeigene, verbieten könnte. Nun mischte sich der Capitain drein, wollte mich von der Thüre verdrängen und befahl den Leuten, ihre Bündel in den Hof zu tragen. Ich stemmte mich dem Capitain, als dem Voranstehenden entgegen, und überhäufte ihn mit gerechten Vorwürfen; sagte ihm daß er die Offiziersuniform schände, wenn er sie zum Rauben entweihet; und gewiß wäre es für mich übel abgelaufen, wenn nicht Gott in diesem Augenblick den Obristen Couteill herbey geführet hätte; welcher sogleich näher kam, und nach der Ursache unseres Streites fragte. Voll Indignation, stellte ich ihm das schändliche Betragen dieses Mannes vor, welches der Obrist auch vollkommen fühlte, weshalb er dem Capitain befahl sich Augenblicklich zu entfernen, wenn er nicht auf der Stelle füsiliert werden wollte. Der Capitain bat voll Angst „man möchte ihm nur erlauben, seine im Hause noch befindlichen Dulcinäa, und seine Sachen mitnehmen zu dürfen.[“] Der Obrist schickte mich hin, das Weib und die Sachen herbringen zu lassen, und Beydes ward zur Hinterpforte hinaus geworfen. Die Dwornicks erhielten Befehl, die Sachen wieder dahin zu tragen, wo sie solche genommen hatten. Ich habe aber Grund zu vermuthen, daß sie die Sachen irgendwo verbargen, um sie zur gelegenen Zeit wieder ins Haus zu bringen; denn die Polizey fand nachher bei vielen Demidowschen Leuten, mehreres geraubtes Gut, welches ihnen abgenommen ward, und wofür sie gebührende Strafe erhielten. Vermuthlich hatte sich der genannte Capitain auf irgend eine Weise den Schutz der französischen Behörde zu verschaffen gewußt; denn er trug russische Uniform, die er aber durch solchen Gebrauch entehrte. Die andern drey Obristen – denen der Obrist Couteill diesen Vorfall erzählte – lobten mich, und bewiesen mir von dem Tage an auszeichnende Achtung, welches mir recht kenntlich ward, als ich von den vielen Anstrengungen erschöpft aufs Krankenlager sank. Sie befahlen ihren Leuten, kein Geräusch weder im Hofe, noch beym Hinauf– oder hinuntergehen der Treppen zu machen; und wenn sie auch noch so spät in der Nacht, nach Hause kamen, gingen sie niemals hinauf in ihre Wohnung, ohne sich vorher recht theilnehmend nach meinem Befinden erkundiget zu haben. Ja sie brachten mir einmal ein Schulterblatt von einem Reh, aus der kaiserlichen Küche mit, welches für Napoleon geschossen ward, um mir eine Suppe kochen zu lassen. Ende September, an einem heitern Abend, erblickte ich am Horizonth drey große, sehr hohe feurige Säulen, die ein regelmäßiges Dreyeck bildeten. Sie waren sehr hoch, und schön proportioniret. Ich betrachtete und bewunderte diese majestätische Naturerscheinung, mehr mit Andacht, als Schrecken, und ohne mir etwas besonderes dabey zu denken. Endlich kam auch der Obrist Couteill auf den Hof, und als ich ihn auf diese Erscheinung aufmerksam machte, schrie er voll Schrecken, als ob er die Hölle geöffnet sähe. Er rief seine Cameraden herbey, und auch diese äusserten sich auf gleiche Weise. Diese vier tapfern Krieger thaten so ängstlich, deuteten diese Säulen mit so viel Furcht für Unheilbringend, und sprachen so viel, daß auch mir bange ward, und mir endlich sich alle meine Haare aufrichteten. Ich gerieth gleichfalls in Angst, als ob mir das größte Unglück bevorstünde, ob ich gleich eigentlich nicht wußte, was ich eigentlich zu befürchten habe? Schwerlich wurden die Aeusserungen andrer Menschen, bey einer ähnlichen Gelegenheit, eine solche Wirkung bey mir hervorgebracht haben; aber das Benehmen dieser vier tapfern Krieger, war so auffallend, daß ich unwillkürlich mit hingerissen ward, und die Erfahrung machen mußte; wie ansteckend die Furcht Eines, für viele Menschen, werden kann. Ich sagte vorhin, daß alle Tage gleichsam offene Tafel bey mir war, an welcher jeder Antheil nehmen konnte der kommen wollte; und dieses verhielt sich also. An Vorräthen von Roggenmehl, Grütze, geschärftem Kohl, und Salz, hatte ich Ueberfluß; weil diese Dinge von den Franzosen nicht angerühret, vielweniger gegessen wurden. Ich ließ also Brodt backen, große Kessel Grütze und geschärften Kohl kochen; da aber weder Fleisch, Speck, noch Oehl zu haben war, würzte ich diese Speisen mit Pfeffer, und goß sehr guten Estragonessig hinzu – dessen ich wohl an 500 Bouteillen im Keller hatte. Der Hunger that freylich das Beste. Wer aber den Apetit sah, den die Tischgesellschaft groß und klein hatte, mußte glauben, wir genössen die leckersten Speisen. Der Geruch von Estragonessig durchdrang das ganze Haus, wenn die Speisen aufgetragen wurden. Dieses reitzte die Forschbegierde unserer Obristen, und nachdem sie den Essig gekostet hatten, nahmen sie eine Bouteille davon mit nach dem Kreml. Napoleon versicherte, er hätte in Paris keinen bessern Essig genossen; und des andern Tages kam der Präfect du Palais Marechall Duroc zu mir, und nachdem er mir viel Complimente, über das Gute, was ihm die Adjutanten von Berthier von mir gesagt haben, gemacht hatte, sprach er „der Essig, welchen die Herren gestern brachten, habe Napoleon so gut geschmecket, daß er befohlen habe, meinen ganzen Vorrath für die kaiserliche Küche zu kaufen. Er fragte daher nach dem Preis, und wie viele Bouteillen ich noch habe?[“] Ich antwortete: Früher hätte ich die Bouteille zu fünf Rubel verkauft, welches nach französischen Cours fünf Franken beträgt, und meinen Vorrath gab ich nur zu 200 Bouteillen an, weil ich den Rest für unsere Speisen bedurfte, und darum verschwieg. Der Marechal sagte „Gut, die 200 Bouteillen sind für den Kaiser.[“] Ich faßte mir ein Herz, und fragte: Und wann bekomme ich dafür die mir zukommenden 1000 Franken? Duroc blickte mich sehr gutmüthig an, und indem er mich freundlich auf die Schulter klopfte, sagte er: Behalten Sie Ihren Essig. Der Kaiser wird Essig, aber Sie kein Geld kriegen; Ich werde sagen, daß Sie keinen Vorrath mehr haben.Ein Anderesmal, wäre ich nicht so gut abgekommen, wenn mich nicht eine Frau aus der Verlegenheit gezogen hätte, die eben kein Tugendspiegel war. Sie wohnte schräg gegen mir über, war sehr schön, und stand nicht im besten Rufe. Eines Vormittags, kam sie zu mir, und bat, ob ich nicht eine Scheere habe, die ich ihr käuflich überlassen könnte? Ich suchte nach, fand eine solche, die aber etwas verrostet war, und die ich darum zurückließ weil ich sie der Mühe des Einpackens nicht werth hielt. Sie fragte nach dem Preis, und ich weigerte mich durchaus von ihr Bezahlung anzunehmen, da die Scheere verrostet ist, und kaum der Rede werth sey. Indem wir aber noch miteinander nicht einig werden konnten, sie durchaus bezahlen und ich nichts annehmen wollte, trat ein Hofcommissair herein, und fragte „Ob ich Dinte zu verkaufen habe, und was die Flasche kostet?[“] – Dieses war gleichfalls ein Artikel, den ich nicht einpacken wollte, wie überhaupt alle Flüssigkeiten, die ich im Keller hatte, weil sie schwer zu packen, und zu transportieren waren; welche mir nachher aber viel Vortheil brachten, ohnerachtet ich sie zu der Zeit verlohren gab, als ich meine bessern Waaren und Sachen an fremde Orte verbarg, die ich nachher nicht wieder sah. – Ich zeigte dem Commissair meine Dinte, das Fläschgen zu einem Frank, und er befahl 100 Fläschgen einzupacken, die ich auch sogleich in einen großen Korb legte. Der Commissair trat ans Fenster, und rief zwey eben vorübergehende Soldaten und befahl ihnen, den Korb wegzubringen. Als ich aber nach Geld fragte, ward der Commissair bitter böse, fand es unverschämt, daß ich von einem Hofcommissair Geld zu fodern wagte, da die Dinte für die kaiserliche Canzelley bestimmt sey. Ich wollte mich schon um dieses Arguments willen in meinen Verlust ergeben, und dachte, besser 100 Fläschgen Dinte, als 200 Bouteillen Estragonessig ohne Geld weggeben zu müssen. Da trat meine anwesende Nachbarin mit heroischem Anstand dem Comissair entgegen, und sagte gebieterisch: Bezahlen Sie die Dinte, oder unterstehen Sie sich nicht den Korb anrühren zu lassen. Der höfliche Franzose fragte, Madame wer sind Sie? Sie antwortete, als ob es die größte Ehre brächte: Ich bin die Maitresse jenes Generals, der hier gegenüber wohnt, und eben jetzt zum Fenster hinaus siehet, und den ich sogleich herüberrufen werde, damit er Sie lehre, daß es dem großen Kaiser Schande macht, wenn seine Hofcommissaire in seinem Namen plündern, denn was er seinen Soldaten erlauben muß, wird der große Napoleon gewiß nicht für sich durch seine Hofcommissaire thun lassen. Der Commissair machte einen Bückling, zog den Beutel, legte 5 halbe 40 Frankenstücke auf den Tisch, befahl den Korb zu nehmen, machte ein höfliches Compliment, und ging davon. So war meine Scheere wirklich bezahlt, und die Dame sagte mit dem Anstand einer Königin ihre fernere Potection zu, u. gebot mir, in ähnlichen Fällen, nach ihren Beystand zu suchen, den ich aber Gottlob nicht bedurfte. In der dritten Woche nach Napoleons Einzug in Moskau, befahl er, daß 3000 Unteroffiziere von der ganzen Armee, nach Frankreich marschieren sollten, um die Cadres zu der Complettirung des Heeres zu bilden. Diese Gelegenheit benutzten die meisten Generäle, Offiziere etc. um ihre Kostbarkeiten, die sie in Rußland sich zugeeignet hatten, unter diesen – wie sie meynten –